Ich will ehrlich sein (und allein das wird einem Vertriebler ja gern mal abgesprochen): Auf viele der folgenden Aussagen bin ich nicht allein gekommen. Ich habe eine kurze Umfrage dazu gestartet, was die gängigsten Vorurteile gegen den Vertrieb sind und was soll ich sagen – die Antworten kamen Schlag auf Schlag. Da hätte ich mich am Liebsten unter einem Stein verkrochen und wäre nie wieder rausgekommen 🙂 Stattdessen teile ich die Aussagen mit euch und gebe meinen Senf dazu.
1. Verkäufer wollen den Kunden einfach nur überreden
Sicher, solche Verkäufer gibt es. Aber genau wie ich als Kunde entscheiden kann, mit wem ich zusammenarbeite und wo ich kaufe, kann ich auch als Verkäufer entscheiden, wer ich sein will und wie mein Berufs-Ethos aussieht.
Meine Maxime ist: “Ich überrede Niemanden”. Wer nicht mit mir arbeiten möchte, der möchte einfach nicht mit mir arbeiten. Das ist in Ordnung, denn wenn der Andere erst überzeugt sein muss, ist es keine Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Mein Tipp: Kommuniziert, für wen euer Produkt NICHT geeignet ist. Das baut Vertrauen und Transparenz auf und zahlt sich spätestens mittelfristig aus.
2. Der Kunde hat immer Recht
Öhm, nein. Getreu dem Motto: “Patient geht zum Arzt und sagt ihm, was er hat.” ist es auch im Vertrieb oft so, dass der Kunde sich schon überlegt hat, was die richtige Lösung für ihn ist und die dann genau so umgesetzt haben möchte. Nur ist das manchmal nicht sinnvoll oder es gibt noch eine bessere Lösung.
Dann ist das beste Vorgehen: Dem Kunden zuhören, verstehen, was er/ sie wirklich braucht, ein entsprechendes Angebot machen und erklären, warum es von den Vorstellungen des Kunden abweicht und welche Vorteile es hat. Und wer weiß: mit den richtigen Argumenten machen dann vielleicht beide Seiten ein gutes Geschäft. Soll es schon mal gegeben habe :
3. Ich brauche keinen Vertrieb. Mein Produkt ist super! Das wird sich herumsprechen.
Wenn dem so ist: Glückwunsch! Nur leider irren damit die meisten Unternehmer! Ich vermute mal, sie tun das einerseits, weil sie vom Produkt wirklich überzeugt sind (und das ist gut so!). Es dürfte aber auch daran liegen, dass sie so dem ungeliebten Vertrieb aus dem Weg gehen können (und das ist nicht so gut!).
Es ist ja so: Wenn niemand das Produkt kennt, kann es auch niemand kaufen. Wenn die Konkurrenz einen besseren Job im Vertrieb macht, dann werden die Kunden eben dort kaufen. Deswegen ist es ratsam zu überlegen, ob man wirklich fest davon überzeugt ist, dass die warmen Semmeln schon von allein ihre Abnehmer finden werden.
4. Vertriebler tun alles fürs Geld. Sie würden sogar ihre Oma verkaufen.
Diese Aussage war in allen Facetten wohl die häufigste Antwort der Umfrage. Tatsache ist: Vertriebler werden oft über einen Bonus inzentiviert. Das bedeutet, dass ihr Gehalt sich aus einem festen und einem variablen Anteil zusammensetzt. Logischerweise führt das dazu, dass es wichtig ist, Verkäufe abzuschließen und Ziele zu erreichen.
ABER: durch eine smarte Zusammensetzung der Inzentivierung lässt sich diese Motivation gut lenken. Ziele können z.B. gedeckelt sein oder es kann zusätzlich auch qualitative Ziele geben, die Komponenten wie Kundenzufriedenheit mit einschließen.
Schlussendlich gibt es aber verschiedene Typen “Mensch”, die im Vertrieb tätig sind. Und es gibt hier, wie in jeder anderen Branche auch, schwarze Schafe bzw. Menschen, die andere Werte haben als man selbst.
P.S.: Meiner Oma geht es gut. Mein Vater hingegen hat mich im Türkei-Urlaub schon mal für 17 Kamele mit Goldhöckern angeboten. Und der ist nicht im Vertrieb! Just sayin’.
5. Je billiger, desto besser.
Eine Flasche Wein ganz unten aus dem Supermarkt-Regal für 0,95 EUR oder eine Flasche Bio-Wein mit hübschem Etikett, ausführlicher Herkunftsbeschreibung und ansprechend auf Augenhöhe arrangiert für 9,50 EUR?
Preisbildung ist ein sensibles Thema, weil sowohl die Markenwahrnehmung als auch die Umsätze, etc. damit zusammen hängen. Klar also, dass es da keine Standard-Antwort gibt. Wenn ihr aber nicht gerade im Preiskampf seid (und der ist sehr gefährlich!), dann solltet ihr euch von diesem Mythos verabschieden und lieber eine gesunde Preissetzungs-Strategie verfolgen.
6. Vertrieb ist einfach nur aufdringlich und halsabschneiderisch
Puh, hier bin ich ehrlich gesagt sprachlos und frage mich, ob ich nicht mal einen Blogartikel über die schlimmsten Erfahrungen mit Vertrieblern schreiben sollte.
7. Es muss immer mehr, mehr, mehr sein!
Ja, das mag häufig die Prämisse in Vertriebsteams sein. Alles muss wachsen. Ist ein Quartal vorüber, geht es schon ins nächste und da muss mindestens ein Steigerung von 10% drin sein. Das ist aber alles andere als nachhaltig!
Ich plädiere für einen gesunden Vertrieb, der ein nachhaltig erfolgreiches Unternehmen mit gutem ethischen Gewissen zur Folge hat.
8. Wer im Vertrieb arbeitet, muss morgens seine Seele an der Garderobe abgeben.
Also erstmal: Welche Garderobe!? Und wieso sollte ich schon morgens anfangen zu arbeiten!?
Aber im Ernst: Wenn ich mich mit dem Produkt oder dem Unternehmen, für das ich arbeite, nicht identifizieren kann, dann komme ich natürlich in einen Konflikt zwischen meinen Werten und den Aufgaben, die mir meinen Lebensunterhalt sichern. Dass das nicht auf Dauer gut gehen kann, ohne dass man abstumpft oder daran kaputt geht, ist klar.
Aus diesem Grund arbeite ich ausschließlich mit wertorientierten Unternehmen, die einen positiven Impact haben und kein Wachstum um jeden Preis anstreben. Unternehmen, die gesund sein wollen, eine Mission verfolgen, mit der ich mich identifizieren kann und fair zu ihren Mitarbeitern, Kunden und Partnern sind. So kann ich meine Seele immer schön bei mir behalten.
9. Der Preis wird extra höher angesetzt, damit man dann einen Rabatt geben kann.
Nun ja, Preissetzung ist wie schon erwähnt eine Wissenschaft für sich. Persönlich finde ich Transparenz und Fairness deutlich wichtiger als kurzfristig gesteigerte Umsätze. Und seien wir ehrlich: Kunden sind nicht blöd. Wenn sie einmal zwielichtige Praktiken wittern, ist das Vertrauen erschüttert und wahrscheinlich der Kunde weg. Deswegen rate ich von solchen Vorgehen dringend ab! Denn dass es deutlich teurer ist, einen Neukunden zu gewinnen als einen bestehenden Kunden zu halten, gehört zum Business 1×1.
10. Ich kann einfach nicht verkaufen.
Honestly, das ist der Punkt, an dem ich ECHT fuchtig werde! Wenn du das schon glaubst, dann wirst du das auch ausstrahlen. Self-fulfilling prophecy und so! Im Übrigen ist “Verkaufen” viel mehr als “Hallo. Das ist mein Produkt. Bitte kaufe es mir ab.” Zum Verkauf gehören unter anderem auch
- ehrliches Interesse an den Kunden
- Begeisterung für das Produkt
- der Glaube daran, durch das Produkt etwas zu verbessern
- jede Interaktion mit Kunden und Interessenten
Ja, jeder Facebook-Post und jeder Newsletter gehören genauso dazu wie das “Verkaufsgespräch”. Und ein Blogartikel wie dieser hier ebenso, auch wenn mein Ziel nicht ist, nach der Veröffentlichung direkt 5 neue Kunden zu haben.
Also sprich mir nach: “Ich. Kann. Verkaufen. Ich verkaufe gern. Meine Produkte sind wertvoll.” REPEAT!
Hab ich noch irgendwelche Vorurteile vergessen? Dann her damit in den Kommentaren! Und wenn du mehr von mir lesen willst, dann hol dir doch den Greatel-Letter!